KindesmissbrauchDer Staat versagt beim Löschen, aber wir sollen alle überwacht werden

Das Bundeskriminalamt lässt pädokriminelle Inhalte nicht löschen, weil es andere Prioritäten setzt und angeblich Personal fehlt. Gleichzeitig sollen wir Bürger:innen mit Chatkontrolle und Vorratsdatenspeicherung anlasslos überwacht werden. Das ist ein Skandal. Ein Kommentar.

Mann mit Augen zu, Finger in den Ohren
Wegschauen statt Löschen. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Westend61

Deutsche Ermittlungsbehörden lassen Darstellungen von Kindesmissbrauch im Internet nicht löschen. Als Argument führen sie an, ihre Ermittlungen seien eben täterorientiert. „Wir sammeln keine Links ein“, sagt ein Sprecher des Bundeskriminalamts gegenüber tagesschau.de. Es fehlen angeblich die personellen Ressourcen, die das Melden in Anspruch nähme.

Im Klartext: Darstellungen von Kindesmissbrauch sind terabyteweise offen im Internet verfügbar, werden munter verlinkt und geklickt, weil die Polizeibehörden andere Prioritäten setzen. Man könnte auch sagen: Der Staat schaut weg.

Löschen ist einfach und wirksam

Seit der politischen Auseinandersetzung um Netzsperren, in der Ursula von der Leyen wirkungslose Zensur gegen Kindesmissbrauch im Internet einführen wollte und sich den Namen „Zensursula“ einhandelte, gilt in Deutschland der Konsens: Löschen statt sperren. Da, wo solch abscheuliche kriminelle Inhalte bekannt werden, müssen sie so schnell wie möglich gemeldet und entfernt werden.

Löschen ist wirksam und effizient, geht schnell und einfach, das berichtet das Bundesinnenministerium jedes Jahr. Das ist ein Erfolgsmodell. Und es bringt etwas, weil es die Verbreitung dieser kriminellen Bilder und Videos tatsächlich einschränkt. Und weil man die Nutzer:innen solcher krimineller Foren mit toten Links nerven und stören kann. 

In ihrer Recherche beweisen die Journalist:innen von NDR und Spiegel selbst, dass es mit dem Löschen ganz einfach ist: 

Im derzeit größten Forum sammelten die Journalisten dafür rund 80.000 Links ein. Ergebnis: Alle Dienste – ob inländisch oder ausländisch – entfernten die Inhalte binnen Stunden oder maximal zwei Tagen.

Was ein paar Journalist:innen bei der Recherche schaffen, soll also einem großen Apparat wie dem Bundeskriminalamt mit seinen fast 8.000 Bediensteten und den 16 Länderpolizeien nicht möglich sein? Einem BKA, dessen Budget sich seit Zensursula 2010 mehr als verdoppelt hat, soll eine ordentliche Löschung nicht möglich sein? Und das bei einem Thema, zu dem der Bundesinnenminister sagt, diese Inhalte dürften „unter keinen Umständen dauerhaft abrufbar sein“?

Das kann doch nicht wahr sein!

Stattdessen: Gefährliche Symbolpolitik

Gleichzeitig wird in der Debatte um Kindesmissbrauch im Netz allen Ernstes gefordert, dass wir unbescholtenen Bürger:innen unsere Geräte anlasslos vom Staat durchsuchen lassen sollen, wie das bei der so genannten Chatkontrolle im Gespräch ist. Es ist die gleiche Ursula von der Leyen, die heute als Vorsitzende der EU-Kommission wieder eine gefährliche Idee im Kampf gegen Kindesmissbrauch mitverantwortet.

Uns soll zwangsweise Client-Side-Scanning auf den Endgeräten installiert werden, eine Technologie, mit der nach Dateien auf unseren privaten Computern gesucht werden kann. Gleichzeitig schöpft der Staat nicht einmal die Möglichkeit aus, ihm bekannte Dateien, die offen im Internet stehen, zu löschen. Das ist, freundlich gesagt, eine Unverschämtheit.

Und die Chatkontrolle ist nicht das einzige Überwachungsinstrument, das gefordert wird: Kindesmissbrauchsdarstellungen sind beständig einer der Gründe, warum Innenpolitiker:innen die anlasslose Überwachung aller Bürger:innen mittels Vorratsdatenspeicherung einführen wollen. Obwohl diese mehrfach von europäischen Gerichten als verfassungswidrig einkassiert wurde. 

Wir alle sind uns einig: Kindesmissbrauchsdarstellungen müssen aus dem Internet verschwinden. Also kriegt verdammt nochmal Euren Job hin, statt immer wieder unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe und Überwachungsbefugnisse zu fordern, welche die Privatsphäre von Millionen von Menschen und damit die Demokratie gefährden.

33 Ergänzungen

  1. Journalistinnen haben also in solchen Foren „recherchiert“ und 80.000 Links mit kriminellem Inhalt gesammelt – da frage ich mich wie sie das gemacht haben ohne sich dabei strafbar zu machen. Für das ginge der Nicht-Journalist in Deutschland schon mindestens 1 Jahr ins Gefängnis. Als sowas noch ein Delikt ohne Mindesthaftstafe war hätte ich das noch verstehen können (Pressefreiheit etc.), aber jetzt wo es als Verbrechen gilt fehlt mir ehrlich gesagt das Verständnis dafür!
    Was lernt man daraus? Pädokriminelle sollten Journalisten werden!(?)

    Ansonsten ist es eine alte Leier: bei der Polizei produziert man lieber Zahlen als effizient Kriminalität zu bekämpfen. So wie man schon immer lieber 30 Studenten-WGs nach Cannabis durchsucht hat als nur den einen Dealer hopps zu nehmen der das Zeug an die 30 vertickt (was mit der Ampel zum Glück bald vorbei sein sollte).

    1. Ich glaube bei solchen Recherchen wird 1.) ein Browser Plugin benutzt das Bilder nicht lädt, und 2.) eng mit der Polizei abgestimmt. Wobei man dann fragen kann ob wirklich alle 80000 Links illegale Inhalte hatten oder ob das nur zum größten Teil der Fall war bzw vermutet wurde, und woher man überhaupt weiß, dass es diese illegalen Inhalte gibt. Sich Zugang zu verschaffen oder es nur zu versuchen ist bereits eine strafbare Handlung, sollte aber von der Pressefreiheit gedeckt sein. Wenn vor dem Löschen durch die Anbieter aber nicht ausreichend geprüft wird hätte man damit auch eine ziemlich effektive Zensurmaschine.

  2. Weder Politik noch Polizei sehen sich offensichtlich noch gezwungen, die eigentlichen Ziele zu verbergen: Überwachung der Bürger, Zensurmöglichkeit per Uploadfilter überall.

    1. Es galt für diese Sorte Politiker schon immer: was nutzt muss erlaubt sein.

      Es wurde uns doch schon von der ARD vorgeführt: Schirachs Zweiteiler „Feinde“ legte offen, dass eine Mehrheit (zumindest der ARD-Zuschauer und des auserkorenen Test-Publikums) Folter nicht grundsätzlich ablehnt d.h. befürwortet „solange es nützlich ist“.

  3. Obwohl dieses Verhalten schon schlimm genug ist, sieht es doch noch viel drastischer aus.
    Denn mit dem Client-Side-Scanning und der aktuellen Gesetzeslage kann jeder versehentlich und schnell zum Straftäter werden.
    Wenn ich zB am Strand ein Foto von meiner Freundin mache und da läuft dann ein nacktes Kind durch das Bild, dann wird dieses Foto ja normalerweise automatisch in die Cloud gesichert. Das aktiviert das Scannen auf dem Client, so dass das Foto automatisch der Polizei gemeldet wird.
    Anstatt also den eigentlichen Kindesmissbrauch zu verfolgen, sammelt man versehentliche Verbrecher durch das Illegal machen eigentlich harmloser Bilder.
    Diese Gesetze dann noch als Kampf gegen Kindesmissbrauch umzudeuten, ist schlichtweg eine dreiste Lüge. Es ist offensichtlich, dass lediglich Instrumente geschaffen werden sollen, um allen etwas illegales anhängen und sie damit mundtot machen zu können.

    1. Meines Wissens nach wird bei dieser Form des Scannens nur ein Hash-Wert des Bildes mit einer Liste abgeglichen, man findet also nur bereits bekannte Bilder und verhindert deren weitere Verbreitung, nicht aber neue Bilder. Für eine umfassende algorithmische Erkennung von Bildinhalten hätten Smartphones auch gar nicht ausreichend Rechenpower, ganz davon abgesehen, dass der Akku recht schnell leer wäre (und da hört für die Mehrheit der Spass dann wirklich auf!).

      1. Deine Einschätzung zur Leistungsfähigkeit von Smartphones ist veraltet, ebenso die zur geplanten Funktion von client side scanning.

      2. Naja dann gibt es aber schon weitere Fragestellungen:
        1. Einsenden von Beispielen zur Begutachtung. Das sind dann nicht Hashes, die Übertragen werden, und das ist auch kein einfacher Dateihash, es ist also „viel einfacher“ ein Bild zu haben, das dort anschlägt.
        2. Wieviel Widerstand gibt es dazu den unverfänglichen Hash eins Bildes vom Endgerät aus hochzuladen? Da sind schon ein paar Tore mehr offen, inklusive Hausdurchsuchung wegen Softwarefehler (plump einen Hash von dir in die böse Datenbank eintragen, oder mindestens eine Stufe teurer: ein Bild generieren dass den Hash hat oder einen hinreichend ähnlichen Hash aufweist).
        3. Kontrolle am Endgeräte, was will man mehr? Mehr Kontrolle?

        Usw. usf. Das ist ja nicht nur ein Dammbruch, Bösartigkeit und Idiotie in einem, es ist auch eine super Vorlage für alles Weitere.

      3. Ist das nicht gleichzeitig auch ein Argument des Realen IT-Alltages gegen das Löschen der Bilder? Gut, man kann von jedem Bild einmalig einen Hash-wert berechnen und diesen Speichern. Aber bei dem Tempo mit dem Heutzutage Daten weg kommen, verloren gehen, gestohlen würden oder einfach nur kompromittiert hat sich möglicherweise ein Schlauer Amtsschimmel gedacht das es besser ist die Bilder nicht zu löschen damit man jederzeit einen neuen Hash ermitteln kann. Das „erspart“ einem dann die Investition in eine Verteilte, Ausfallsichere, mit Backups gesicherte Speicherung der Hash-liste – die da dann sowieso nicht sicherer wäre. ;-) Denn die muß ja erreichbar sein damit das Client-Scanning Modul sie beziehen kann. Und, überhaupt: Wie groß kann und darf diese Liste denn werden damit sie noch in den Speicher eines Smartphones paßt – und noch RAM für OS und Apps übrig ist? Was; genau genommen wieder FÜR das Löschen spräche. Um die Liste klein zu halten weil weniger Bilder „im Umlauf“ sind. Andernfalls müßte man sie m.E. aufteilen und dazu vorab kategorisieren damit nur der passende Teil geladen werden muß. Was die Inkriminierung nur noch detaillierter werden ließe. Und man braucht Sicher mehr Power auf dem Endgerät um vorab die passende Kategorie zu ermitteln. Dafür sind die KI Prozessoren also gut?! :-/

        Ich meine auch: Wer nach Kindesmißbrauch sucht und welchen Findet, dann aber nicht löschen läßt der hat seinen Job nur Halb gemacht. Das läßt eigentlich nur den Schluß zu der hier schon genannt wurde. „Man“ will die Totale Überwachung und das mit allen Mitteln.

        1. „Dafür sind die KI Prozessoren also gut?! :-/“

          Ja, äh, 1 KI-Prozessor + 1 Endgerätescansoftware = das.

  4. Meiner Meinung nach ist bei diesem Thema klassische Ermittlungsarbeit der Behörden mit Analyse der Missbrauchsdarstellungen zur potenziellen Identifizierung von Opfern und Tätern und mit verdeckten Ermittlern zur Aufdeckung von Betreibern nach wie vor der mit Abstand beste Ansatz.

    Leider macht die Politik es sich bei diesem Thema meistens sehr einfach und reagiert entweder A) mit blinden Gesetzesverschärfungen oder B) mit pauschalen Überwachungsmaßnahmen.

    A) Was haben die Gesetzesverschärfungen gebracht? 2015 wurden die juristischen Definitionen von Kinderpornografie und Jugendpornografie massiv ausgeweitet, so dass potenziell auch verschiedenste Darstellungen, welche keinen Missbrauch zeigen, darunterfallen können. 2021 wurde dann die Mindeststrafe auf ein Jahr Gefängnis angehoben, so dass jeder Fall zwangsweise als Verbrechen wie Raub oder Mord behandelt werden muss.

    Als Ergebnis richten sich die Ermittlungsverfahren heute in bis zu 50% der Fälle gegen Kinder und Jugendliche als Täter.
    https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/cyberkriminologe-raet-niemals-in-klassen-chats-eintreten,SnE3O1I

    Wenn sogar ein Kriminologe von einer Polizeihochschule schon Familien davon abrät, einen an und für sich sinnvollen Klassen-Chat zu nutzen, weil sich dieser durch die gesetzlichen Regelungen als Gefahr für alle beteiligten Schüler*innen und deren Eltern erweisen könnte, sollte einem das doch zu denken geben.

    B) Was bringen pauschale Überwachungsmaßnahmen? Primär richten sich diese nicht gegen Straftäter, da sie verdachtsunabhängig eingesetzt werden. Sie stellen stattdessen jeden einzelnen Bürger unter Generalverdacht, schränken die Privatsphäre ein und gefährden die Demokratie, indem sie eine technische Infrastruktur schaffen, welche zur Verfolgung beliebiger Gruppen eingesetzt werden kann. Ohne die Möglichkeit echter Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wird man vertrauliche Gespräche nur noch im echten Leben, aber nicht mehr online führen können. Auch dies kann durch Hemmung der freien Meinungsäußerung die Demokratie einschränken.

    Meine Prognose: Tatsächliche Missbrauchstäter werden sich in Folge weiter in den Untergrund zurückziehen. Die Überwachungsmaßnahmen werden vor allem die restliche Bevölkerung treffen. Der Anteil an Strafverfahren gegen Kinder und Jugendliche als Täter wird noch weiter zunehmen.

    1. Danke für den Input. Generalverdachtsmässige Infiltrationen, wie in den Klassen-Chats, gehen wirklich überhaupt nicht…….. Dennoch zur Klarstellung: Die 50% der Tatverdächtigen, die Minderjährig sind, sind nicht automatisch unschuldig. Im BR-Artikel ist der Sachverhalt ausserordentlich schwach bis gar nicht ausdifferenziert worden. Der BR-Artikel ist, ob der Brisanz des Themas, nicht wirklich empfehlenswert und für diesen Themenkomplex nur wenig mehr Wert als ein Artikel der Bild-Zeitung……. Der beste Ansatz wäre, wenn File-Hoster die Uploads direkt nach dem Upload oder währenddessen auf den Inhalt durch eine KI prüften und bei Positivbefund die Ermittlungsbehörden einschalteten und den Zugriff auf die Datei sperrten bis das Beweismittel gelöscht werden kann. Das wären dann Uploadfilter, denen ich positiv gegenüber stünde. Da diese für Copyright-gedöns genutzt werden, ist es mehr als verhältnismässig sie auch gegen pädo-kriminelle Inhalte in Stellung zu bringen. Die Privatsphäre ist dabei vor den Augen anderer Menschen geschützt, wenn es sich nicht um strafrechtlich relevantes Material handelt, wenn es aber doch strafrechtlich relevant ist, wird es erkannt. Die KI muss dafür vertrauenswürdig entwickelt werden und für jeden Hoster erschwinglich und verpflichtend sein. Am besten weltweit.

    2. “ Der Anteil an Strafverfahren gegen Kinder und Jugendliche als Täter wird noch weiter zunehmen.“

      Was in der alljährlichen Statistik geschickt vernebelt wird, um mit angeblich stark gestiegenen Fallzahlen weitere Forderungen nach mehr/neuen/größeren Befugnissen stellen zu können.

    3. Danke für den Link. Da bestätigt sich die Einschätzung, dass die Politik fahrlässig an den Gesetzen herumgepfuscht hat, ohne die Konsequezen nur im Ansatz zu Bedenken.

      Ich Frage mich gerade nach dem Lesen des verlinkten Berichts, wie man sich eigentlich wehren bzw schützen kann, wenn man unerwünscht in einem Gruppenchat oder von Anonymen solche Bilder zugesandt bekommen hat. Man macht sich ja praktisch immer strafbar (nicht-löschen = besitzen \\\ löschen = vernichten von Beweismitteln).

      Fakt war, dass vor der kaum begründeten Heraufstufung zum Verbechen (Mindeststrafe 1 Jahr Gefängnis, Höchststrafe 10 Jahre) das vorherige Höchststrafmaß fast nie durch die Gerichte ausgeschöpft wurde. Warum hier der Gesetzgeber ein Eingreifen für nötig hielt ist ein Rätsel.

      Da kann man nur froh sein, dass das Jugendstrafrecht keine Mindeststrafen anwendet (obwohl ja von manchen Politikern/Populisten auch schon die Abschaffung dieses „Täterschutzgesetzes“ gefordert wurde).

      1. > praktisch immer strafbar (nicht-löschen = besitzen \\\ löschen = vernichten von Beweismitteln).

        Ich glaube nicht das der letzte Part relevant ist wenn man Privat unverlangt offensichtlich illegale Bilder zugesendet bekommen würde.

        Das sehe ich nur als Problem an wenn man den Behörden einen Tip geben wollte. Aber offensichtlich wollen die das nicht sonst müßten die Regeln dazu anders lauten. Und so lange man kein (Hilfs)polizist ist kann es auch keine Beweismittel geben. Das wär etwa so als würde man Spam aufbewahren. Wozu?

        Also: Weg damit, den Absender blockieren und hoffen das der Staat ihn irgendwann per Zufall schnappt.
        Nicht mein Problem!

        Das damit zum Schutz der Kinder aber genau NICHTS passiert ist das eigentlich schlimme.

          1. Zu: Strafwürdige Klassen-Chat-Inhalte einfach löschen „nicht völlig gefahrlos“
            Auch an dieser Stelle ist der BR-Artikel nicht ausreichend ausdifferenziert worden. Die Gefahr(en) wurden nicht benannt und so unterschwellig eine potentielle Unsicherheit bei Lesenden induziert.

            Zum einen gibt es den §258 StGB „Strafvereitelung“, der zwar das Vernichten von Beweismitteln untersagt, aber die Motivation der oder das Wissen einer Strafvereitelung voraussetzt: „Wer absichtlich oder wissentlich […] vereitelt“.

            Zum anderen gibt es die Gefahr, dass wenn die Ermittelnden im Nachgang Beweismittel anfragen würden, diese faktisch nicht mehr vorliegen, und Täter:innen dann wegen indubio pro reo, der Unschuldsvermutung „im Zweifen für den Angeklagten“, ggf. einer Strafe entgehen.

            Die Empfehlung sofort die Behörden zu informieren, ist hier Trumpf. Eine Abwägung der strafrechtlichen bzw. der moralisch begründeten Gefahr einer faktischen Strafvereitelung und der strafrechtlichen Gefahr für den Besitz Kinder-, bzw. Jugendpornographischer Inhalte angeklagt zu werden, ist dann nicht mehr notwendig.

  5. Bei Strg_F gab es ja gerade eine Reportage dazu. Besonders interessant ist die gegen Ende offenbarte Fassadenmalerei des BKA durch den Pädo-Kriminalitäts-Ressort-Chef. Er sagte sinngemäss „das ist es was wir hier machen, Löschen statt Sperren“. Es wurde stolz die Zahl von etwa 8000 durch das BKA bei Hostern gelöschten Dateien (Fotos/Videos) genannt. In einem ganzen Jahr (vermutlich 2020). Anschliessend hat Strg_F dem BKA ihren an einem Tag (sechs Stunden) erzielten Löscherfolg von etwa 80000 Dateien gezeigt. Der Mensch vom BKA hat dann erklärt, dass Löschen nicht so wichtig sei, sondern die Ermittlung von Täter:innen. Deutlich wurde, dass die pädopornographischen Inhalte der ermittelten Täter bewusst nicht vom Netz genommen wurden. Nach kurzer Recherche habe ich herausgefunden, dass 2019 etwa 13000 Straftaten in dem Zusammenhang bearbeitet wurden. Diesen Taten liegen Beweismittel zu Grunde, also Dateien, die ins Netz gestellt wurden. Wenn also bei 13000 Fällen nur 8000 Dateien aus dem Netz verschwinden, haben wir ein weiteres sehr belastendes Indiz für Inkompetenz.

    Kleine Rechnung noch dazu: In dem Raum, wo die BKA-Gruppe arbeitet sind etwa 20 PC-Arbeitsplätze. 8000 Dateien / 260 Arbeitstage * 20 Ermittelnde = 1,5 gelöschte Dateien pro Strafverfolger:in pro Arbeitstag. So… nun darf gekotzt werden.

    1. „… 13000 Fällen nur 8000 Dateien …“
      „Kleine Rechnung noch dazu: In dem Raum, wo die BKA-Gruppe arbeitet sind etwa 20 PC-Arbeitsplätze. 8000 Dateien / 260 Arbeitstage * 20 Ermittelnde = 1,5 gelöschte Dateien pro Strafverfolger:in pro Arbeitstag. So… nun darf gekotzt werden.“

      Nein, das muss man anders rechnen: 13000 / 260 Arbeitstage / 20 Ermittelnde = 2,5 bearbeitete Fälle pro Tag und Ermittlerin. Die Arbeitslast ist kaum zu bewältigen!!!!11

      1. Es waren aber 8000 Dateien und nicht 13000. Es sind zwei Sachverhalte: A) Der Lösch“erfolg“ von 8000 Dateien und B) das Indiz, dass wenn bei 13000 Fällen nur 8000 Dateien gelöscht wurden, bei extrem vielen bekannten Dateien kein Löschauftrag an die Hoster geschickt wurde.

        Es hätte ja sogar automatisch geparst werden können, was in den Ermittlungsakten steht, um dann automatisiert Löschaufträge an die Hoster zu schicken. Das ist dann ein Beleg für Inkompetenz beim Umgang mit dem „Neuland“ bzw. gar eine Verweigerung die Dienstanweisung des Bundesinnenministeriums umzusetzen.

      2. So, ich habe nochmal Quellen und Zahlen rausgesucht. Es sind 12.200 Fälle. https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/missbrauchszahlen-1752038
        Es ermitteln deutlich mehr Beamt:innen, als die 20 Cyber-„Löscher“.
        Beim LKA in Wiesbaden z.B. sind es inzwischen 130. https://www.welt.de/regionales/hessen/article219813108/Kampf-gegen-Kindesmissbrauch-Polizei-mit-Ermittler-Einheit.html
        In den anderen LKA gibt es noch viele weitere Ermittler:innen. Das BKA registriert die Fälle, ermittelt aber nicht automatisch selbst. (Hat aber Zugriffsrechte auf Ermittlungsinhalte und Datei-Links)

        Der Vollständigkeit halber:
        Verdachtsanzeigen gab es 59000. Etwa 50% der Verdächtigen sind selbst noch Kinder oder Jugendliche. https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/cyberkriminologe-raet-niemals-in-klassen-chats-eintreten,SnE3O1I
        78% der Verdächtigungen sind strafrechtlich also nicht relevant.

  6. Ich bin der Meinung man sollte solche Bilder nicht nur löschen – sondern durch ein behördliches Wappen und einen Infotext ersetzen, so wie es z.B. das FBI macht, wenn sie einen Drogen-Marktplatz im Darknet übernommen haben. Dadurch könnte direkt der Druck auf die Nutzer zunehmen, als wenn nur eine Bild-Datei nicht mehr geladen wird, da der Rechtsstaat sichtbar in Erscheinung treten würde.

    1. Bei einem bestimmten, sex. besonders auf das Sammeln, Horten, Teilen, Vergleichen, Tauschen und ggf. Anfertigen von Missbrauchsabbildungen fixierten Tätertyp wäre so ein Vorgehen sehr erfolgversprechend. Denn diese Sexualstraftäter sind gegenüber Erwachsenen ausgewiesene Feiglinge und fürchten nichts so sehr wie ertappt zu werden. Den Reiz ihres Tuns ziehen sie aus der Tatsache, dass es einen starken Kontrast zu ihrer sonst biederen, belanglosen Existenz bietet.

  7. Uploadfilter zum Schutz der Urheberrechte, Löschzwang gegen Fake News – durchgesetzt übrigens unter anderem durch das BKA.

    Und keine Resourcen, um Kinder zu schützen.

    Welcher Politiker hat eigentlich die Aufsicht über das BKA und die Verantwortung, dass dort die richtigen Prioritäten gesetzt? Auch so ein Profi von der CSU aus Bayern?

    1. Da werden aus Sicht der Verantwortlichen die richtigen Prioritäten gesetzt.

      Die sind nicht dumm oder unwissend.

      Die wollen halt was ganz anderes als Du.

      Deswegen kann man mit Erklären nichts daran ändern.

  8. Danke für die Thematisierung.
    Interessant wäre ja auch, wie da nun die Polizei argumentiert. Viele Polizist*innen sind da möglicherweise auch Eurer Meinung: Oft fehlen der Polizei da ja auch entsprechende Anweisungen von Staatsanwälten und Judikative.

    1. Die Dienstanweisung durch das Bundesinnenministerium ist wohl vorhanden, wird aber weitgehend ignoriert. Mag sein, dass das auf dem Dienstweg verloren geht, was ein weiteres grosses Problem wäre. Das ist ja grundrechterelevant und alles andere als eine Kleinigkeit. Das passiert bei anderen Angelegenheiten auch gelegentlich. (Beim Jobcenter hier wird man fast schon genötigt den Perso kopieren zu lassen, obwohl diese Praxis durch das BMJV für unzulässig erklärt wurde nach der Revision des Personalausweisgesetzes.)
      Wenn das Thema nicht zu belastend ist, hier ist die Reportage bei Strg_F https://www.youtube.com/watch?v=iItLpwkQMUQ (Seehofer ab Minute 27:50)

  9. Danke für die klare Darstellung Herr Reuter. Tatsächlich eignet sich Kindesmissbrauch/Kinderpornografie sehr gut für die der PolitikerInnen und Behördenchefs, die das wollen, in der Bevölkerung Verständnis für Voratsdatenspeicherung und Netzsperren zu wecken, indem man ihr vorgaukelt, damit gegen diese Sexualstraftaten an Kindern und Jugendlichen vorgehen zu wollen. Ein Grund mit für das scheinbar ignorante Agieren der politisch/behördlich Verantwortlichen.
    Der Opferverein Mogis e.V. und andere Netzaffine hatten das bereits 2009 angemahnt und die Kampagne „Löschen statt Sperren“ gestartet. Wie es aussieht, sollen Opfer sex. Missbrauchs und Kinderpornografie und die Besorgnis der Bevölkerung instrumentalisiert werden, um eine ganz andere Agenda umzusetzen. Wäre nicht das erste Mal. Wer sich ein Bild davon machen will, wie Ursula von der Leyen während ihrer Zeit als Familienministerin zu Opfern von Gewalt und Missbrauch stand, sollte sich mit ihrer Rolle bei der Umsetzung der 2008 vom Bundestag einstimmig beschlossenen Petition Ehemaliger Heimkinder beschäftigen http://www.heimkinder-ueberlebende.info/PRESSEERKLAERUNG-des-VEREIN-EHEMALIGER-HEIMKINDER-e-V-vom-09-01-2009-als-Protest-gegen-die-untragbaren-Anweisungen-von-Bundesfamilienministerin-Ursula-von-der-Leyen.php.

  10. > Wir alle sind uns einig: Kindesmissbrauchsdarstellungen müssen aus dem Internet verschwinden.

    Nö, offensichtlich sind wir uns nicht alle einig. Polizisten und Politiker sehen darine eine willkommenen Gelegenheit missbrauchte Kinder für das zu benutzen, wofür sie alle und alles zu benutzen versuchen: Mehr Befugnisse, mehr Kooperation mit dubiosen Firmen, mehr Budget, mehr Angst, mehr Macht, mehr Lobhudelei, weniger Rechtsstaat, weniger Transparenz.

    Dann gibt’s natürlich noch diverse Profiteure, die damit Geschäfte machen, und die Konsumenten, so sie nicht schon in einer der vorgenannten Gruppen sind.

    Nur alle anderen sind sich einig.

    1. Den Rechtsstaat muss ich hinterfragen:
      1. Recht als Logikersatz funktioniert nicht (perpetuum mobile)
      2. Recht isoliert von der Welt funktioniert [langfristig] nicht (ausgestorben mit Recht).
      3. Die Theorie ist nicht weit fortgeschritten (im Zweifel Demokratie oder im Zweifel Recht).

      Der Anspruch ist einfach verrückt und stellt zumindest historisch einfach nur die Strategie der Oligarchen nach, da diese im Zweifel qua Macht entscheiden, und ist schon deswegen abzulehnen. Zukunftgestaltung vom Recht aus ist prinzipbedingt abzulehnen. Der Rechtsstaat hat eine Funktion und ist der Demokratie unterzuordnen [- folgt trivial daraus, nicht auszusterben. Die Notwendigkeit der Prinzipien der Demokratie, wenn auch nicht notwendigerweise auf allen Ebenen in der gleichen Weise bzw. immer gleichzeitig, dann in der nächsten Vorlesung].

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.